Zuhause beten

An diesem heiligen Ort spür ich dich. Aquarell von Gabriele Koenigs
An diesem heiligen Ort spür ich dich. Aquarell von Gabriele Koenigs

In einer alten Kirche zu sitzen und zu beten ist etwas Besonderes. Die Heiligkeit des Ortes unterstützt das eigene Gebet. Und dort will niemand etwas von uns. Keiner spricht uns an. Wir dürfen bleiben, so lange wir wollen. Und wir sind einfach so, wie wir sind.

Viele Kirchengemeinden würden jetzt am liebsten die Türen ganz weit für die Beterinnen und Beter öffnen. Sie würden am liebsten jetzt auch die Kirchen öffnen, die normalerweise während der Woche geschlossen sind. Viele Seelsorgerinnen und Seelsorger würden sich jetzt am liebsten in den Kirchen aufhalten und dort als Ansprechpartner für die Menschen verfügbar sein. Aber das ist in diesem Moment überhaupt nicht sinnvoll. Die Leute sollen zuhause bleiben, um niemanden anzustecken und um nicht angesteckt zu werden.

Also heisst es: Zuhause beten!!

Aber wie soll das gehen, mitten in dem Halligalli, wenn plötzlich viel mehr Leben zuhause ist als sonst? Wenn daheim plötzlich auch ein Arbeitsplatz für home-office ist, wenn die Kinder betreut werden sollen und so vieles parallel abläuft? Wie soll das gehen, wenn dauernd das Telefon klingelt? Wie soll das gehen, wenn ich mit meinem Gebet unbeobachtet sein will und nicht darüber sprechen will? Beten ist das Intimste. Beten braucht einen geschützten Raum.

Eine Freundin lebt mit ihrer Partnerin zusammen. Jede hat ein Zimmer in der Wohnung. Sie haben ein Zeichen miteinander ausgemacht. Wenn eine von ihnen ihre Hausschuhe vor ihre Zimmertür stellt, weiß die andere: Ich soll jetzt nicht hineinkommen. Ich soll nicht einmal an die Türe klopfen.

Ich habe gestern auch so etwas mit meinem Mann abgemacht. Zwischen 18 Uhr und 20 Uhr wollte ich absolut ungestört sein. Kein freundlicher Besuch von ihm in meinem Zimmer, kein Telefon, nichts. Wir haben das vereinbart, und es war gut. Natürlich hat er meinen Wunsch respektiert und für diese Zeit alles von mir ferngehalten.

Und dann gibt es ja immer noch das Bett. Bettdecke über den Kopf, nichts mehr hören und sehen, alleine sein. Und das Herz ausschütten, Sorgen loslassen, in die Ruhe finden. Als ich ein Kind war, war es bei uns zuhause in der Wohnung wahnsinnig eng und voll. 4 Kinder zusammen hatten ein Kinderzimmer. Aber jeder hatte ein eigenes Bett. Schon seit Kinderzeiten nütze ich mein Bett als Ort für mein Gebet.

Jesus hat seinen Leuten dazu geraten, in ihrem "stillen Kämmerlein" zu beten. Nicht dort, wo man gesehen wird wie z.B. in den Synagogen, Moscheen oder Kirchen. Sondern zuhause. Zuhause gibt es keine Heuchelei. Zuhause gibt es keinen Seitenblick auf die anderen. Zuhause beten wir ohne fromme Floskeln. Zuhause beten wir so, wie wir sind. Wir stellen gar nichts dar. Wir sind manchmal dabei ungewaschen, ungekämmt, ohne Kleider. Wir sind so, wie wir sind. Mit allen unsren Sorgen und Ängsten und Nöten. Mit allem unsrem Vertrauen. Aufrichtig. 

 

Ich denke, wir können das in der jetzigen Krise nochmals neu lernen. Lasst uns die Krise als Chance nehmen. So vieles gibt es jetzt neu zu entdecken und neu zu lernen. 

 

Alles Gute für Sie alle und für euch alle! 

Gabriele Koenigs

 

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