Ich war in Stuttgart unterwegs, vollbepackt. Plötzlich gab es ein großes Klirren, unmittelbar hinter mir. Als ich mich umdrehte, sah ich die Bescherung: Der Reißverschluss meines Rucksacks hatte sich geöffnet. Alles war herausgefallen: Schlüssel, Geldbeutel, Thermoskanne, Krimskrams und dazu die weißen Porzellanteller. Ich hatte sie für meinen Malkurs besorgt. Aber nun waren sie in Tausende von Scherben zersprungen und lagen auf dem Gehweg verstreut.
Noch ehe ich recht verstehen konnte, was jetzt nötig ist, kniete eine junge Frau neben mir und fing an, die Scherben einzusammeln. Ich kannte sie gar nicht. Ich sagte: „O, ist das nett, dass Sie mir helfen! Vielen Dank!“ „Kein Problem“, sagte sie. Ich sammelte zuerst Schlüssel, Geldbeutel und Krimskrams wieder ein, während sie sich mit den Scherben beschäftigte. Man konnte das wirklich nicht auf dem Gehweg liegen lassen. Es hätte sich sonst vielleicht jemand daran verletzt. Zusammen hoben wir alle größeren Stücke auf. „Das ist wirklich so nett, dass Sie mir helfen“, sagte ich nochmals. „Für mich ist das selbstverständlich“, sagte sie. „Kommen Sie, wir bringen jetzt die Scherben in den Müll“. Sie hatte schon entdeckt, dass in der Nähe ein Abfallbehälter stand. Erleichtert folgte ich ihr. Wir entsorgten die Scherben. Ich wollte mich von ihr verabschieden und überlegte gerade, ob ich ihr etwas geben könnte zum Dank. Da war sie schon verschwunden.
Es war nur eine ganz kurze Begegnung. Sie sah nicht so aus, wie man sich einen Engel vorstellt. Sie hatte ein Piercing in der Nase und Löcher in ihrer Jeans und eine wilde Frisur. Aber sie war genau im richtigen Moment an meiner Seite. Sie hatte gesehen, dass ich in dieser Situation überfordert war. Sie gab mir ihre helfende Hand. Sie wusste ganz genau, was nötig ist. Als die Aufgabe erledigt war, ging sie weiter. Einfach so, ohne eine Belohnung zu erwarten. Für mich war es ganz klar: Da war ein Engel zu mir gekommen. Mir war auf einmal ganz leicht und froh ums Herz.
Ein paar Schritte von dem Abfallbehälter entfernt lag auf dem Gehweg eine Feder. Mein Blick fiel darauf. Das war ein Zeichen für mich. Eine braune, struppige Feder – das passte zu dieser Frau. Eine weiße Flaumfeder hätte nicht gepasst.
Die Feder liegt nun in meinem Zimmer. Sie erinnert mich an diese unerwartete Begegnung. Und sie stärkt mein Vertrauen. Auf Gottes Engel ist Verlass. Sie kommen sogar, bevor sie gerufen werden. Sie sehen selbst, was nötig ist.
Gott schickt uns seine Engel, nicht nur im Advent. Wir sind nicht allein. Gott sei Dank.
Ist Ihnen auch schon einmal ein Engel zur Seite gewesen? Erinnern Sie sich daran?
Haben Sie vielleicht auch noch ein Zeichen? Oder haben Sie sich die Geschichte aufgeschrieben? Falls nicht, könnten Sie es heute tun. Und Sie könnten jemandem davon erzählen.
Ich wünsche Ihnen und Euch allen einen guten Tag
Gabriele Koenigs
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