Ein reines Herz

In meinem Herzen ist's Sonntag. Aquarell von Gabriele Koenigs (2013). Als Original erhältlich
In meinem Herzen ist's Sonntag. Aquarell von Gabriele Koenigs (2013). Als Original erhältlich

Kinder haben feine Antennen. Sie spüren, ob sie geachtet werden für das, was sie sind und tun. Sie spüren auch, wenn Verachtung sie trifft. Die Kränkung geht tief. 

 

Desmond Tutu war ein Zeitgenosse dieses Mädchens. Er wurde 1931 in Südafrika geboren.  Sein Vater leitete eine Schule für Schwarze. Seine Mutter war Hausangestellte. Wenn er mit seinem Vater einkaufen ging, wurde der Vater von dem Angestellten des Ladens abschätzig behandelt. Es gab keinerlei Form von Höflichkeit. Der Verkäufer hatte die Illusion, er sei etwas Besseres, nur weil er weiß war. Der Junge litt darunter, dass sein Vater so derb behandelt wurde. Er konnte das nicht einfach überhören und wegstecken. 

Schwarze wurden Tag für Tag gedemütigt. Der Zugang zu gutbezahlten Berufen blieb ihnen verwehrt. Weiße hatten überall Vorrang, selbst auf der Straße und im Bus. Das System der Apartheid sorgte dafür, dass Schwarze arm und ungebildet blieben. Das System der Apartheid sicherte die Macht der Weißen. 

 

Eines Tages war Desmond mit seiner Mutter unterwegs. Er war damals 9 Jahre alt. Auf dem Gehweg kam ihnen ein weißer Mann entgegen. Noch bevor die beiden ausweichen konnten, wie es damals Vorschrift war, wich er aus und trat auf die Straße. Er zog den Hut vor der Mutter des Jungen, grüßte die beiden höflich und ging weiter. Diese Geste war so ungewohnt, dass Desmond seine Mutter fragte: „Weißt du, wer das ist?“ „Das ist Trevor Huddleston. Er ist ein Gottesmann.“ In diesem Moment fiel in dem Jungen ein wichtiger Beschluss. Ich werde auch ein Gottesmann. Einige Jahre später erkrankte Desmond an Tuberkulose und musste mehrere Monate im Krankenhaus verbringen.  Huddleston besuchte ihn regelmäßig im Krankenhaus. Das gab dem jungen Desmond ein Gefühl für seinen Wert und seine Würde. Die Gespräche bedeuteten ihm sehr viel. In einem Rundfunkinterview hat Desmond Tutu als alter Mann von diesen entscheidenden Begegnungen in seiner Jugend erzählt. Trevor Huddleston wurde für ihn zu einem Mentor und Freund. Beide widmeten ihr Leben dem Kampf gegen die Apartheid und für Frieden und Gerechtigkeit. Desmond Tutu wirkte zunächst als Priester und Lehrer und später als Erzbischof in Johannesburg. Er wurde zum Vertrauten und Berater von Nelson Mandela.  Noch im hohen Alter leitete er die Kommission für Wahrheit und Versöhnung. Er schloss eine tiefe Freundschaft mit dem Dalai Lama.  Im Jahr 1984 bekam er den Friedensnobelpreis. Am 26.12.2021 ist er im hohen Alter von 90 Jahren verstorben. 

 

Verachtung ist ein Gift, das in unseren Herzen Spuren hinterlässt. Verbitterung und Härte sind naheliegende Auswirkungen dieses Giftes. Und es liegt nahe, die Achtung vor sich selbst zu verlieren. Die Versuchung ist groß, Böses mit Bösem zu vergelten. Die Versuchung ist groß, auf Rache zu sinnen und die Verachtung weiterzugeben. So geht der Kreislauf des Bösen weiter. Wie kann das durchbrochen werden? 

 

Wir brauchen Gottes Hilfe dafür. Alleine schaffen wir das nicht. "Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, beständigen Geist!" (Psalm 51). Dieses Anliegen ist wichtig. Besonders für alle, die unter Verachtung gelitten haben und leiden. Mögen wir frei werden von diesem Gift. Mögen wir lernen, uns abzugrenzen. Mögen wir üben, uns nicht vom guten Weg abbringen zu lassen. Mögen wir lernen, anderen mit Achtung und Aufmerksamkeit zu begegnen. Und möge die Freude in unseren Herzen wohnen, trotz allem.

 

Seien wir dankbar für Glaubenszeugen wie Desmond Tutu und Trevor Huddleston, die uns das vorgelebt haben. 

 

Ich wünsche Ihnen allen und Euch allen einen schönen Sonntag und eine gute Woche

Gabriele Koenigs 

 

P.S: Dieser Psalmvers ist mir so wichtig, dass ich mir wünsche, dass eines Tages ein abstraktes Bild dazu entsteht. Noch ist es nicht gekommen. Ein solches Bild ist ein Gnadengeschenk. 

 

  

 


Hier können Sie eine wunderschöne Vertonung der Verse aus Psalm 51 hören. Johannes Brahms hat es komponiert. Der europäische Kammerchor unter Leitung von Nicol Matt bringt sie zur Aufführung, und man kann sogar die Noten mitlesen. Viel Freude beim Anhören und Mitdenken! 

 

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