Auch die Nacht leuchtet

Die Nacht leuchtet. Ölgemälde auf Leinwand 80 cm x 60 cm (2022). Als Original erhältlich
Die Nacht leuchtet. Ölgemälde auf Leinwand 80 cm x 60 cm (2022). Als Original erhältlich

Sterne zu sehen ist etwas Besonderes für mich. Zugegeben, ich tue das nicht oft. Meistens siegt die Bequemlichkeit. Ich bin noch mit etwas beschäftigt, bis kurz vor dem Schlafengehen. Oder ich bin so müde, dass ich nur auf dem Sofa herumliege. Oder es ist mir einfach zu kalt, um noch hinauszugehen. Aber wenn ich es doch tue, hin und wieder wenigstens, welch ein großartiges Erlebnis!

 

Wir leben in einem kleinen Städtchen im Schwarzwald. Verglichen mit der Großstadt, gibt es bei uns nicht viele Lichter. Und doch sind es schon zu viele, um den Sternenhimmel wirklich sehen zu können. Über den elektrischen Lichtern erscheint ihr Leuchten nur sehr schwach. Ich muss eine Weile gehen, weg von den Häusern, bis hin zum unbebauten Feld und an den Waldrand, damit ich das Leuchten der Sterne wirklich sehen kann. Vielleicht ist das gut so. Dieses Aufbrechen, weg vom Behaglichen und weg vom Gewohnten, hinein in die Dunkelheit, gehört zu dem Besonderen dieses Erlebnisses.

 

Vor einigen Jahren reiste ich mit einer kleinen Gruppe in den Sinai. Drei Beduinen führten uns. Wir ritten auf Kamelen. Abends lagerten wir uns um ein kleines Feuer. Wir verzehrten unsere einfache Mahlzeit, redeten und sangen ein paar Lieder. Dann suchten wir uns unseren Schlafplatz. Manche blieben in der Nähe des Feuers. Ich suchte mir jeweils einen Platz abseits. Denn ich wollte in diesen Nächten gar nicht durch die anderen abgelenkt sein. Ich wollte ganz offen und empfänglich sein für das, was in diesen Nächten unter dem gewaltigen Himmel zu mir kam.

 

Im Gebirge sind die Nächte auch besonders beeindruckend. Manchmal konnte ich mit meinem Mann Ferientage im Gebirge verbringen. Der Höhepunkt war für uns jeweils eine Sonnenaufgangswanderung. Wir brachen morgens gegen vier Uhr auf. Es war noch stockdunkel. Die Sterne leuchteten hell über uns. Wir hatten uns vorher schon einen Weg ausgesucht, der im Dunkeln nicht zu verfehlen war. Wir stiegen durch die Nacht dem Gipfel entgegen. Dort oben erlebten wir dann den Sonnenaufgang. 

 

Sterne zu sehen ist etwas ganz anderes als das elektrische Licht anzuschalten. Sterne sind nicht menschengemacht wie Glühbirnen und LED-Leuchten. Sterne und Mond zeugen von einer Wirklichkeit, in der der Mensch nur eine winzige Rolle spielt. Beim Blick zum Sternenhimmel wird uns klar, wie klein wir sind. Staunen erwacht, Ehrfurcht und Stille. Die Alltagsgedanken und Alltagssorgen fallen von uns ab. Es entsteht eine ganz besondere Leichtigkeit und Freiheit. Manche Leute können Sternbilder benennen und wissen einiges über den Lauf der Planeten. Aber niemand kann die Sterne zählen, und niemand kann ihr Leuchten beeinflussen. Es kommt nicht von uns. Aber es kommt zu uns, Gott sei Dank. Ihr Licht ist schon Lichtjahre unterwegs, bevor wir es überhaupt sehen können. Es sind Zeitspannen, die wir uns überhaupt gar nicht vorstellen können.

 

Im Universum gibt es eine unglaubliche Fülle von Licht. Bei Tag und bei Nacht scheint uns das Licht, Gott sei Dank. Im Psalm 139 steht ein erstaunlicher Vers: „Auch die Finsternis ist nicht finster vor dir, Gott. Die Nacht ist wie der Tag, und sie leuchtet.“ Es lohnt sich, mit diesem Vers umzugehen.

 

Die meisten Menschen fürchten die Finsternis und meiden sie. Sobald es dunkel wird, schalten wir unsere elektrischen Lichter an und gehen in die Häuser. Bis spät in die Nacht hinein setzen wir uns den Lichtern unserer Bildschirme und Lampen aus. Das bringt unseren Schlaf- und Wachrhythmus durcheinander und bringt uns viele gesundheitliche Probleme. Wir wissen das, und dennoch ist es  schwer, unsere Gewohnheiten zu ändern.

 

Dunkelheit ist ein wichtiger Teil des Lebens. Im Dunkel spricht Gott auf besondere Weise. Gott fürchtet die Dunkelheit nicht. Und Gott verlässt uns nicht, auch wenn die Wegstrecke dunkel ist. Es ist sehr wichtig, dass wir dieses Vertrauen neu lernen. Gerade jetzt ist es wichtig, in all den Umbrüchen und Krisen, die wir durchleben. 

 

Sternenhimmelspaziergänge können dabei helfen.

 

Ich wünsche euch allen und Ihnen allen einen schönen Sonntag und eine gute Woche

Gabriele Koenigs 


In der Gemeinschaft von Taizé ist eine Vertonung des Psalmverses aus Psalm 139 entstanden. Eine kleine Gruppe singt hier diese Vertonung in englischer Sprache. "Our darkness is never darkness in your sight..." Leider gibt es keine Aufzeichnung von der Vertonung in deutscher Sprache. Man kann sie aber auf dieselbe Melodie singen. "Auch die Finsternis ist nicht finster vor dir, Herr. Die Nacht ist wie der Tag, und sie leuchtet." 

Viel Freude beim Anhören und Mitsummen und Mitsingen! Videos bei youtube sind mit Werbung verbunden. Sie können die Werbung deutlich verkürzen, indem Sie auf die Schaltfläche klicken: Werbung überspringen. 

Und hier singt der ausgezeichnete Kammerchor "voces 8" aus England ein wunderschönes Abendlied von Josef Rheinberger: 

"Bleib' bei uns, denn es will Abend werden,

Und der Tag hat sich geneiget, sich geneiget, 

O bleib' bei uns, denn es will Abend werden."

 

 Es ist eine Wonne, nicht nur zum Hören, sondern auch zum Schauen! 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0