Gesine hat schneeweiß leuchtendes Haar und ein gutmütiges Gesicht mit blitzenden Augen. Sie ist 82 Jahre alt und kein bisschen bitter. Ihr Herz ist voller Dankbarkeit und Freude. Sie sprudelt vor Ideen und Lebenslust.
Vor einem Jahr ist ihr Mann gestorben. Er war an Parkinson erkrankt. Sie hat ihn lange gepflegt. Die beiden waren tief verbunden und haben ein langes Leben zusammen gelebt. Sie konnten das Fest der goldenen Hochzeit noch miteinander feiern, aber dann wurde er schwächer und schwächer. Sein Tod war für sie ein riesengroßer Einschnitt im Leben. Zunächst war sie wie betäubt und wie erstarrt. Er fehlte ihr so sehr. Und es gab so viel zu tun! Beerdigung organisieren, Behördenkram erledigen, Sachen aufräumen. Sie weiß gar nicht, wie sie das alles geschafft hat. Es sind ihr Kräfte zugewachsen, über die sie nur staunen konnte.
Ihr Mann hatte immer die Bankangelegenheiten erledigt. Nun musste sie das selbst lernen. Der Umgang mit Handy und Internet war ihr vertraut. Aber Online-Banking hatte sie noch nie gemacht. Sie
machte einen Termin mit ihrer Bank. Eine freundliche junge Mitarbeiterin erklärte ihr geduldig, wie das alles geht. Sie gab ihr einen Zettel mit, auf dem alles Schritt für Schritt beschrieben
ist. Bei den ersten Überweisungen musste Gesine öfter auf den Notizzettel schauen. Aber dann ging es ganz leicht. Sie war stolz, dass sie es geschafft hatte. Sie hatte noch ein weiteres Konto bei
einer anderen Bank. Dort machte sie auch einen Termin. Sie nahm ihren Notizzettel mit. „Geht das bei Ihnen auch so“, fragte sie. „Erklären Sie mir bitte, was ich beachten muss.“ Dieser
Mitarbeiter war jedoch ein unfreundlicher, ungeduldiger junger Mann. Er gab ihr einen Pack Papier, 25 Seiten kleingedruckt. „Lesen Sie das nach, dann wissen Sie alles.“ Nach 3 Minuten erklärte er
das Gespräch für beendet. Gesine war zunächst wie verdattert. Als sie wieder zuhause war, dachte sie: „Das ist eine Unverschämtheit! Ich werde mich beschweren!“ Sie wollte mit dem Vorgesetzten
dieses Mitarbeiters sprechen. Aber die Telefonzentrale wimmelte sie ab. Jemand gab ihr die Auskunft: „Wir haben keine Zeit für solche Beratungen. Sie können es ja alles schwarz auf weiß
nachlesen.“ „So etwas muss ich mir nicht bieten lassen", sagte sie. "Hiermit kündige ich mein Konto bei ihnen.“
Sie wohnt alleine in ihrem Haus. Aber es tut ihr sehr gut, unter Leuten zu sein. Jede Woche geht sie zu einer Malgruppe, in der alle zusammen malen. Kaffee trinken und Erzählen gehört auch immer
dazu. An einem Vormittag geht sie zur Seniorengymnastik. Sie tun etwas, um die alten Knochen beweglich zu halten. Vor der Gymnastik oder danach schmettern sie ein paar Lieder. Das hebt die Laune
und ist zugleich Gedächtnistraining. Denn sie singen natürlich auswendig. Eine aus der Gruppe ist sehr musikalisch und begleitet den Gesang am Klavier.
Gesine ist eingebunden in ein großes Netz von Freundschaften und Bekanntschaften. Die meisten bestehen schon seit vielen Jahren.
Nach dem Tod ihres Mannes sind drei Menschen neu in ihr Leben gekommen. Diese sind ihr inzwischen besonders wichtig. Es sind tiefe Freundschaften entstanden. Eine hat selbst ihren Mann verloren,
fast zur selben Zeit wie Gesine. Sie ging immer so gerne mit ihrem Mann in Konzerte und in die Oper, genau wie Gesine. Musik spielt eine große Rolle für die beiden. Nun gehen sie jeden Monat
zusammen ins Konzert. Eine andere Freundin hat sie in der Warteschlange im Kino kennengelernt. Sie haben einen sehr guten Film zusammen angesehen und anschließend die Telefonnummern ausgetauscht.
Nun sehen sie sich immer wieder und unternehmen etwas zusammen. Und es ist ein Mann aufgetaucht, in den sie sich verliebt hat. Sie genießt es, dass dieser Mann so liebevoll zu ihr ist. Sie wohnen
weiterhin getrennt, aber treffen sich so oft wie möglich. Sie sagt: „Der liebe Gott hat mir diese drei Menschen geschickt!“ „Er meint es gut mit mir!“
Zuhause hat sie einen Notrufknopf, vorsichtshalber. Jeden Tag zur vereinbarten Zeit meldet sie sich per Telefon. Falls sie sich nicht meldet, kommt jemand von der Zentrale und schaut, ob alles in
Ordnung ist.
Nun war sie eine Woche bei mir im Malkurs. Wir haben Mohnbilder gemalt. „Ich male so gerne“, hat Gesine bei der Vorstellungsrunde gesagt. „Leider habe ich viel zu spät damit angefangen, und ich
hatte nie einen gescheiten Unterricht. Ich will hier ganz viel dazulernen.“ Sie hat alles rasch begriffen, was ich erklärt habe, und sehr gut in ihren Bildern umgesetzt. „Meine Bilder sollen
unbedingt leuchten“, sagte sie. Das hat sie wirklich geschafft. Ihre Lust am Leben leuchtet aus ihren Bildern heraus.
In unserer Malwoche waren lauter faszinierende und interessante Frauen. Wir haben nicht nur gemalt. Wir haben auch viel gelacht und erzählt, einander aufgebaut und inspiriert. Jeden Tag haben wir auch mindestens einmal zusammen gesungen. Miteinander haben wir uns an den schönen Bildern gefreut, die entstanden sind. Wir sind alle froh, einander kennengelernt zu haben. Wir werden den Kontakt halten. Und so Gott will und wir leben, werden wir uns wiedersehen. Wir freuen uns jetzt schon darauf.
Ich wünsche euch allen und Ihnen allen einen schönen Sonntag und eine gute Woche
Gabriele Koenigs
Hier können Sie ein schönes Lied aus Taizé hören: Jubilate deo.... Es ist sogar ein Kanon. In Taizé werden viele Lieder auf lateinisch gesungen, da dies eine Art Weltsprache ist. Der Text geht auf Psalm 100 zurück.
Hier ist der Text auf lateinisch:
Jubilate Deo, omnis terra, Servite Domino in lætitia. Alleluia, alleluia, in laetitia! Alleluia, alleluia, in laetitia!
Auf deutsch heißt das:
Juble Gott zu, ganzer Erdkreis.
Dient dem Herrn mit Freuden.
Halleluja, mit Freuden.
Halleluja, halleluja, mit Freuden!
Viel Freude beim Anhören und Mitsingen!
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