Lass die Sonne nicht untergehen über deinem Zorn

Lass die Sonne nicht untergehen über deinem Zorn. Aquarell von Gabriele Koenigs (2024). Im Passepartout für Bilderrahmengröße 50 cm x 50 cm. Als Original erhältlich
Lass die Sonne nicht untergehen über deinem Zorn. Aquarell von Gabriele Koenigs (2024). Im Passepartout für Bilderrahmengröße 50 cm x 50 cm. Als Original erhältlich

Es ist Abend. Ein langer Sommertag geht zu Ende. Mein Tagwerk ist getan. Nun möchte ich noch schnell eine Fahrkarte für eine Fähre buchen, für meine Mitreisenden und für mich selbst. Ich weiß schon, wie ich diese Buchung online machen kann. Ich habe diese Internetseite schon mehrfach benutzt. Ich gebe alle nötigen Daten ein. Alles klappt. Zum Schluss heißt es bezahlen. Aber nun kommt die Sache ins Stocken. Das System überprüft meine Kreditkarte und meldet: "Kreditkarte ungültig!" Dabei weiß ich ganz genau, dass es die richtige Karte ist, und dass ich auch die richtige Geheimzahl dazu eingegeben habe. Wie ärgerlich! Ich probiere es noch einmal. Es klappt wieder nicht. Auch der dritte, vierte und fünfte Versuch scheitert. Aber ich hätte das so gerne heute noch erledigt! Ich rufe eine andere Internetseite auf und probiere es dort. Nachdem ich alle Daten eingegeben habe, sehe ich, dass ich dort einen Aufpreis von 12 € pro Person bezahlen muss. Das will ich auch nicht. Ich bin jetzt sehr ärgerlich. So viel Zeit verschwendet, für nichts und wieder nichts! 

Eigentlich weiß ich ja, dass es gar keinen Sinn hat, etwas "noch schnell" zu machen. Jedes Mal dauert es viel länger, als ich gedacht hatte. Es ist eine Angewohnheit, auf die ich immer wieder hineinfalle. Eigentlich brauche ich mich gar nicht wundern, dass es nicht geklappt hat! Natürlich ärgere ich mich über die Buchungsseiten und den Anbieter der Kreditkarte. Aber am allermeisten ärgere ich mich über mich selbst. 

Mein Blick wandert aus dem Fenster. Die Sonne geht schon beinahe unter. Eine uralte Weisheit kommt mir in den Sinn: "Lass die Sonne nicht untergehen über deinem Zorn!" "Oh ja", denke ich, "das ist wahr!" Ich mache meinen Computer aus und vertage die Sache mit der Buchung. Es eilt noch gar nicht. "Hättest du Lust auf einen Abendspaziergang", frage ich meinen Mann. Er ist sehr erfreut über die Idee. Er hat heute so viel zu tun gehabt, dass er auch noch nicht draußen war. 

Wir drehen eine große Runde um unseren Ort. Oberhalb der Häuser gibt es viele Wiesen. Es duftet nach frischem Heu. Grillen zirpen. Manche Vögel singen noch ein Abendlied. Es ist angenehm warm, aber nicht mehr heiß. Wir gehen ohne Eile. Ich ziehe meine Schuhe aus und gehe barfuß. Wir zeigen einander, was uns auffällt. 

"Schau mal, wie groß die Tomaten schon sind", sagt er. "Die Linde duftet noch so gut, obwohl sie schon verblüht ist", sage ich. Er zeigt mir den Mond, der gerade hinter einer Wolke hervorkommt. Ich zeige ihm einen Grashüpfer, der gerade zu einem großen Sprung ansetzt. Das Gras ist schon ganz nass vom Tau. Mein Mann erzählt mir von früher. Als er ein Kind war, half er zuhause auf dem Bauernhof mit. Als Jugendlicher durfte er den Mähdrescher fahren. "Wenn das Getreide am Abend feucht wurde, war es Zeit für Feierabend", erzählt er mir. Denn es hätte keinen Sinn gehabt, nasses Getreide oder Heu abzuliefern. 

Die Sonne war schon längst untergegangen, als wir wieder daheim ankamen. Mit der nötigen Bettschwere legten wir uns ins Bett und schliefen selig. 

"Lass die Sonne nicht untergehen über deinem Zorn." Das ist ein guter Rat. Paulus hat ihn der Gemeinde in Ephesus gegeben (Epheser 4,26). Er taugt auch für uns. Die Zeit vor dem Einschlafen ist eine wichtige Zeit. Es ist die Zeit, um nach den Aktivitäten des Tages und allem Aufwühlenden, das er gebracht hat, in die Ruhe und den Frieden der Nacht hineinzufinden. Es gibt viele Möglichkeiten, unserer Seele Gutes zu tun in dieser Zeit: Musik hören. Ein gutes Buch zur Hand nehmen. Ein warmes Fußbad. Handarbeit. Ein Gespräch in der Dämmerstunde. Ein Spiel. Tagebuch schreiben. Singen. All das sind Möglichkeiten zur Selbstfürsorge. All das setzt ein gutes Gegengewicht gegen Zorn und Ärger und andere belastende Gefühle. 

Zorn, Ärger und andere belastende Gefühle tauchen auf, ob wir wollen oder nicht. Aber wir sind ihnen nicht machtlos ausgeliefert. Wir brauchen uns nicht in ihnen verrennen. Es liegt an uns selbst, wie sehr wir uns von ihnen bestimmen lassen. 
Finden wir unseren Weg zur Dankbarkeit, zur Freude, zum Frieden. Heute und morgen und an jedem neuen Tag! 

Alles Liebe und Gute für Sie und für euch! 
Gabriele Koenigs 

P.S: Kurz vor dem Einschlafen dämmerte mir, woran der Fehler gelegen hatte. Meine Kreditkarte hatte nicht mehr genug Guthaben für die Buchung. Ich schmunzelte und drehte mich um. Kein Grund, nochmals aus dem Bett aufzustehen! 
 

Hier können Sie das schöne alte Abendlied von Matthias Claudius hören, wunderschön gesungen vom Rundfunkchor Berlin. Erfreulicherweise singen sie alle Strophen. 

 

Vielleicht mögen Sie dies Lied mal wieder singen? Und vielleicht sogar die vergessenen Strophen auswendig lernen? Jede Strophe lohnt sich. 

 

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Viel Freude beim Hören und Singen! 

Hier hören Sie das englische Lied: "You raise me up...", übersetzt: Du erhebst mich... 

Die Sängerin Vanny Vabiola singt es fabelhaft schön. Und auch die Bilder sind erhebend. Viel Freude beim Hören und Schauen! 

 

 


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Kommentare: 6
  • #1

    Rosemarie Vahrenholt (Sonntag, 21 Juli 2024 10:24)

    Vielen lieben Dank für die ermutigenden Worte und die wunderbare Musik.
    Kamen zur rechten Zeit, denn ich bin heute traurig, weil ich am Freitag bei der Beerdigung einer lieben Freundin war.

  • #2

    Susanne Fischer (Sonntag, 21 Juli 2024 12:00)

    Vielen herzlichen Dank, liebe Frau Königs, für diesen schönen Brief, ich habe mich direkt wiedererkannt.
    Ich wünsche Ihnen und Ihrem lieben Mann
    einen wunderschönen Sonntag

  • #3

    Irmtraut Teutsch (Sonntag, 21 Juli 2024 13:58)

    Ja, „lass die Sonne nicht über meinen Zorn untergehen“ bringe ich mir auch immer wieder in Erinnerung!
    Das Lied „ you rais me up“ macht Gänsehaut! Herrlich ���‍♀️

  • #4

    Monika Krumrey (Montag, 22 Juli 2024 10:56)

    Wie so oft ein wunderbarer Text zum Nachdenken. Das Lied - you raise me up - von dieser Interpretin war ein Geschenk. Danke. Eine gute Woche

  • #5

    Ruth Schön (Montag, 22 Juli 2024 19:13)


    Diese Zeile aus Eph. 4,26 steh auch als Inschrift auf unserem Markplatzbrunnen in Vaihingen/Enz. Und ist doch ein ganz einfaches und wertvolles Rezept für ein ruhigeres Leben. :-))

  • #6

    Manuela (Donnerstag, 25 Juli 2024 16:28)

    Ein wichtiger und amüsanter Beitrag. Ich staune immer wieder über Dein Repertoire an Beobachtungen und die passende Musik. Alles Liebe Manuela-Clara