Letzten Sonntag hatte ich eine Verabredung in Bad Herrenalb. Mein Mann benötigte an diesem Tag unser Auto. Also beschloss ich, mit meinem E-Bike nach Bad Herrenalb und zurück zu fahren. Diese Strecke enthält mehrere starke Steigungen. Ich habe zwar versucht, Strom zu sparen. Aber auf dem Rückweg wurde deutlich, dass ich die letzte steile Steigung aus dem Enztal hinauf zu uns auf die Höhe nicht würde schaffen können. Es sind etwa 15 km auf einem Schleichweg durch den Wald. Was tun? Es wurde schon dunkel. Kalt war es auch.
In Höfen im Enztal kam ich am Hotelrestaurant Ochsen vorbei. "Dort könnte ich einkehren, meinen Akku laden und darauf warten, dass mein Mann mich mit dem Auto abholt". Im Prinzip war das eine gute Idee. Aber ausgerechnet an diesem Sonntag machte das Restaurant schon um 17 Uhr zu. Das Personal war schon beim Aufräumen. In meiner Not probierte ich den Hoteleingang und fragte an der Rezeption: "Darf ich bei Ihnen meinen Akku in eine Steckdose stecken?" Die Mitarbeiterin an der Rezeption war sehr freundlich und erlaubte mir das. Sie steckte den Akku in eine Steckdose hinter der Theke der Rezeption. Ich setzte mich in ein stilles Eckchen in der Eingangshalle. Es war ganz ruhig im Hotel. Nur ganz selten kam ein Hotelgast vorbei. Eine Stunde später hatte die Dame an der Rezeption Feierabend. Bei meinem Akku war noch kaum ein Fortschritt zu sehen. Ich rief meinen Mann an. "Das Aufladen wird viel zu lange dauern", sagte er. "Ich muss dich auf jeden Fall abholen. Ich lade dein Fahrrad auf den Fahrradständer. Aber ich bin noch unterwegs. Ich kann frühestens in einer Stunde bei dir sein!" "Kein Problem", sagte ich. "Ich habe etwas zum Lesen dabei, und mein Tagebuch auch. Und hier im Hotel ist es warm. Ich bin so froh, dass du kommst und ich hier auf dich warten darf."
Hinter den Kulissen der Rezeption waren die Inhaber des Hotels noch tätig. Ich hörte sie miteinander reden. Ab und zu tauchten sie an der Theke auf und hatten etwas dort zu tun. Ich kannte sie nicht. Sie kannten mich nicht. Irgendwann sprach der Chef mich an und fragte mich, was es mit dem Akku auf sich hat. Ich erklärte ihnen die Situation. Der Chef sagte: "Ich habe auch so einen starken Akku. Aber der braucht mehrere Stunden zum Laden!" Ich erzählte ihm, dass mein Mann kommen wird und mich abholen wird. "Okay", sagte er. "Sie dürfen hier auf ihn warten. Aber wir machen jetzt Feierabend. Wir gehen. Die Eingangstür ist so programmiert, dass Sie hinaus können, wenn Ihr Mann kommt. Aber hinein kommt nur, wer den Nummerncode weiß. Ihr Mann wird sich ja bemerkbar machen, wenn er kommt. Dann können Sie ihm die Tür öffnen."
Ich war berührt von ihrer Großzügigkeit und ihrem Vertrauen. Sie hatten ja keine Ahnung, wer ich bin. Sie hatten mich nicht nach meinem Namen gefragt. Es war keinerlei Misstrauen zu spüren. Bis heute spüre ich, wie besonders das war.
Mit meinem Freund in Bad Herrenalb hatte ich über das "gute Herz" bzw. das "reine Herz" gesprochen. Wir waren uns darin einig, dass jeder Mensch ein gutes Herz mit auf die Erde bringt, von Anfang an. Und nun durfte ich solche gute Menschen erleben. Welch ein Geschenk! Es war wie eine Bekräftigung dessen, was wir gesprochen hatten. Und es stärkte mein Vertrauen in das Leben.
Bei vielen Menschen haben die Lebensumstände dazu geführt, dass sie ihr Herz verhärtet haben. Bei manchen ist es schon in der Kinderzeit geschehen. Sie mussten sich schützen gegen Verachtung und Gewalt. Eine Frau hat mir kürzlich von der Verachtung erzählt, die ihre Mutter ihr entgegengebracht hat, von Anfang an. "Aus dir wird niemals etwas, und aus deinen Kinder auch nicht", sagte ihre Mutter stets. "Du bist durch und durch verdorben". Es war so schrecklich, dass sie sich dagegen schützen musste. Es entstand so etwas wie ein Panzer um ihr Herz. Immer noch ist diese Härte in ihrem Leib zu spüren. Aber sie bekommt Hilfe, um das zu lösen. Eine Physiotherapeutin massiert sie mit viel Einfühlungsvermögen. Eine Psychologin hört ihr zu, wenn sie ihr Herz ausschütten muss. Und das Beste ist ihr Mann. Er hat sie ihr Leben lang gestärkt und ihr vermittelt, dass sie liebenswert ist und dass er sie liebt, von ganzem Herzen. Allmählich kann sie die Härte loslassen und darauf vertrauen, dass sie ein gutes Herz in sich trägt. Und sie wagt darauf zu vertrauen, dass ihr Herz weiß, was nötig ist und was gut ist.
Glauben wir an das Gute im Menschen, in anderen und in uns selbst! Gerade jetzt, in diesen chaotischen Zeiten, voller Feindschaft und Schrecken, ist dies nötig. Genießen wir es, wenn wir guten Menschen begegnen. Und lassen wir auch andere unsere Güte spüren. Stärken wir einander, Tag für Tag. Lassen wir unser Licht leuchten!
Alles Liebe und Gute für Sie und für euch!
Gabriele Koenigs
Hier singt Josma Rodrigues, eine junge Frau mit wunderschöner Stimme, ein Lied aus Taizé, das ich bisher noch gar nicht kannte. Eine Freundin meiner Kunst hat mich in den letzten Tagen darauf aufmerksam gemacht.
Dies ist der besondere Text:
"Gott ist nur Liebe.
Wagt für die Liebe alles zu geben.
Gott ist nur Liebe.
Gebt euch ohne Furcht."
Viel Freude beim Anhören und Mitsingen.
Videos bei youtube sind leider mit Werbung verbunden. Lassen Sie sich dadurch nicht ablenken. Sie können die Werbung deutlich verkürzen, indem Sie auf die Schaltfläche rechts unten klicken: überspringen.
Kommentar schreiben